Pressestimmen zu „Dem Unendlichen etwas entleihen“:

Kölnische Rundschau vom 22. Dezember 2014 (Auszug)
Ein Gang durch Leben und Tod Ilka Scheidgen veröffentlicht Bildgedichte: "Dem Unendlichen etwas entleihen"

Seit Jahren experimentiert die Schriftstellerin Ilka Scheidgen mit Landschaftsfotos und Gedichten. Jetzt ist das Buch „Dem Unendlichen etwas entleihen“ erschienen, in dem die Ergebnisse dieser Kombination vorliegen.
Treffend werden die Arbeiten auf der Rückseite des Buches als „Bildgedichte“ bezeichnet– samt des Zusatzes „Kompositionen von Fotos und Gedichten zu einem meditativen Ganzen“.
Das Lesen ihrer Gedichte gleicht einem Gang durch Leben und Tod, parallel dazu durch die Jahreszeiten, und damit einer Suche im „Rätsel Leben“. So auch der Titel des ersten Gedichts. Das Buch endet mit der Aussage: Wir sind in Gott und Liebe geborgen. Das Buch ist ein Destillat jahrelanger Arbeit an kurzen Gedichten. Scheidgen: „Gerade das Knappe fordert am meisten.“ Der Lyriker Peter Rühmkorf (1929 - 2008) bescheinigte der Autorin: „Sie sind eine Meisterin der lyrischen Miniatur.“ Die Schriftstellerin hat bewusst auf Ortsangaben zu den Fotos verzichtet. Sie wollte genügend Raum lassen, das Wahrgenommene mit eigenem Inhalt zu füllen. Auch beim Entstehungsprozess lag eine Wechselwirkung zwischen Bild und Gedicht vor. Einige Gedichte entstanden beim Betrachten der Fotos, in manchen Fällen wurden fertige Gedichte Fotos zugeordnet. In anderen Fällen machte sich Scheidgen auf, um die passenden Bilder für die Gedichte in der Natur zu finden.

Bernd Kehren

 

Online-Portal „Theologie und Literatur“ im Dezember 2014
Download als Pdf: www.theologie-und-literatur.de

Es gibt Bücher, die auf so beglückende Weise ungemütlich sind, dass sie sich dem Kategorisieren entziehen. Dazu gehört "Dem Unendlichen etwas entleihen", die geradeveröffentlichten Bildgedichte von Ilka Scheidgen. Die Schriftstellerin hat Romane, Lyrik, Erzählungen, dazu Porträts über Kollegen verfasst. Scheidgens Biographie "Hilde Domin. Dichterin des Dennoch" ist mehrfach aufgelegt. Dieser Erfolg jedoch und die eindrückliche Zahl ihrer veröffentlichten Bücher – das ist etwas Endliches.
Ein Wildling
Die Autorin hofft auf mehr. So streckt sie sich nicht weniger als ins Namenlose aus, ins Ewige, in die Kinderheimat, nach Gott. Das geschieht dann aber doch wieder mit Hilfe von etwas Endlichem, nämlich einem Buch. Ein gewaltiges Unterfangen. Denn die Gewalt, von der die Autorin sich Geborgenheit erhofft, redet sie nicht klein. Man kann sie, weiß sie, ohnehin nicht in etwas kasernieren, das heute fast nur noch als Projekt tituliert wird. Scheidgens Buch freilich ist kein Papier gewordenes organisatorisches Unterfangen. Sondern? Schön.
Grenzenlos leicht
Das Buch ist leicht! Wiegt kaum mehr als eine Tafel Schokolade. Mit den Fotos der Autorin kann man sich durch die Jahreszeiten blättern. In jedem Bild finden sich prägnant zusammengestellte Worte. Wort im Bild? Man könnte jetzt versucht sein, an die Masse der Kopf-hoch-Kalender zu denken. Doch nein: Die Bildgedichte sind diesen nur auf raffinierte Weise ähnlich. Es handelt sich um Wortverdichtungen, die sich in keine der von Ratgebern gelegentlich angeordneten 12-Minuten-Stille-Meditationen pro Tag drängen lassen. Ilka Scheidgens Bildgedichte handeln nämlich vom Grenzenlosen: "Manchmal / Müsste die Zeit/ Stillstehen / Und unser Schweigen / Beredt sein".
Unscharf und präzise
Bewusst arbeitet Scheidgen an manchen Stellen mit unscharf gehaltenen Fotos, was ihrer Suche nach Tiefe eine eigentümliche Präzision verleiht. Der Leser atmet frei, trägt den Kopf hoch, weil er nicht mit gezielt portionierter Lebenshilfe gefüttert wird, sondern schauen darf wie ein Kind: Als läse man zum ersten Mal. Peter Rühmkorf, Hans Bender und Hilde Domin haben Kürze, Sorgfalt und Verknappung von Scheidgens Lyrik hervorgehoben, das Können, mit Worten zu sparen. Die vielleicht eindrücklichste Aussparung in "Dem Unendlichen etwas entleihen": Das Buch hat keine Seitenzahlen, ermutigt stattdessen immer wieder neu mit dem erschütternd Unzählbaren. Das ist kein gut handhabbarer Stoff für den Deutschunterricht oder wissenschaftliche Symposien, sofern dort zwangsneurotisches Zitiergehabe und Zergliederungsfetischismus herrschen. Es sind Himmelsahnungen.
Leises Spiel
Die Worte beziehen sich auf Bilder, entfalten sich aus ihnen, könnten ohne sie vermutlich nicht leben. Die Fotos wiederum erweitern sich durch diese Worte. So entsteht ein Dialog, der kein Kampfgeschehen ist, sondern ein Wechselspiel. Gezeigt werden Landschaften, Gärten, Wälder, Berge, das Meer. Da sind Häuser, Kirchen, Türme, Bahnhöfe, Hausboote. Ein gedeckter Tisch. Nur Menschen sieht man so gut wie nicht. Eher noch Reiher, Katze, Spinne. Stört der Mensch womöglich bei der Sehnsucht, das Unendliche im Endlichen zu finden? Nein, er spielt mit, indem er den ihm bereiteten Boden achtet und schaut: "Wollweiß sind die Wiesen / Am See / Einen Glasteppich betreten / Vorsichtig / Meine Worte".

Georg Magirius

 

Kölner Stadtanzeiger vom 25. November 2014 (Auszug)
 „Bildgedichte von Himmel und Meer – Autorin  Ilka Scheidgen beeindruckt auch als Fotografin“ 

Dass Ilka Scheidgen eine Literatin ist, die mit Wörtern und Sätzen umgehen kann, hat sie in den vergangenen Jahrzehnten öfters bewiesen. Zuletzt mit einer Biografie der Schriftstellerin Gabriele Wohmann.  Dass Scheidgen auch die Fotokamera zu handhaben weiß, unterstreicht sie in ihrem neuesten Werk.
„Dem Unendlichen etwas entleihen“ heißt der Band, der außergewöhnliche
Bildgedichte präsentiert. Ein leuchtendes Rapsfeld mit verdunkeltem Himmel wird etwa mit den Worten kommentiert: „Rapslicht wie hingestreut/In die aufbrechende Landschaft/In uns diese Sehnsucht/Nach dem Namenlosen.“ Der Schriftsteller Peter Rühmkorf sagte über die Autorin: „Sie ist eine Meisterin der lyrischen Miniatur.“ Womit er ziemlich richtig liegt. Die kurzen, poetischen Kommentare zu den Bildern sind nie profan: „Manchmal müsste die Zeit stillstehen und unser Schweigen beredt sein.“

Günter Hochgürtel


Pressestimmen zu "Gabriele Wohmann – Ich muss neugierig bleiben":

Buch aktuell: Sommer 2012 (Auszug)
In der einfühlsamen Biografie „Gabriele Wohmann. Ich muss neugierig bleiben“ der renommierten Schriftstellerin und Publizistin Ilka Scheidgen heißt es treffend: „Von Anfang an galt ihr Augenmerk dem sogenannten Privaten, das jedoch immer auch das Allgemeine ist. Sie hat in ihren Werken 50 Jahre bundesrepublikanische Wirklichkeit gespiegelt mit ihren Höhen und Tiefen, ihren sprachlichen Jargons, ihren Fragen und Problemen und den Lesern und Leserinnen Identifikationsmöglichkeiten eröffnet. (...) Sie schreibt über Ungetröstete, ohne dass sie Trost anbietet, über Unglückliche und Suchende, ohne Antworten zu geben und Rezepte zu verteilen. Gabriele Wohmann fesselt mit dem, was und wie sie schreibt, ungebrochen ganze Lesergenerationen.“

Medienprofile (Auszug)
Die Biografin Ilka Scheidgen hat sich dieser Aufgabe mit Detailkenntnis und aus persönlicher Vertrautheit mit Gabriele Wohmann angenommen, sie hat viele Gespräche mit ihr geführt und Wohmanns Bücher achtsam gelesen. (…)Ilka Scheidgen versteht es, Grundintentionen von Wohmanns Schreiben ins rechte Licht zu rücken und etwa den der Autorin vielfach bescheinigten “bösen Blick” als “Rebellion gegen die Behaglichkeit” (Walter Hinck) und kritisches psychologisches Porträt des Bildungsbürgertums auszudeuten.

Michael Braun

 

Die Welt (Auszug) vom 19.05.2012
Kein anderer Nachkriegsschriftsteller hat eine so umfassende und schattierungsreiche Chronik bundesrepublikanischen Lebens, Meinens, Fühlens vorgelegt wie diese Pfarrerstochter aus Darmstadt, die der Lebenswelt ihrer biografischen Anfänge bis heute treu geblieben ist und mit ihrem Mann Reiner, der auch ihr Lektor ist, nach wie vor auf der literarischen Parallelstation zur Darmstädter Mathildenhöhe wohnt, der Rosenhöhe nämlich. Von diesem etwas abgelegenen Horch- und Guckposten aus späht sie in die Gehirnkammern und Daseinsräume ihrer Zeitgenossen, genauer gesagt der gutsituierten, bildungsbürgerlich geprägten Landsleute mit ihren Paarbeziehungen, beruflichen Selbstentfremdungen, Distinktionsritualen und Freiheitsbestrebungen. (…)Ganz klar: Diese Erzählerin war längst vor Raymond Carver und allen anderen Vertretern der "short cuts"-Prosa eine Virtuosin aussparenden Erzählens. Wer sich über die Entwicklung ihrer literarischen Verfahrensweisen orientieren will, sollte zu Ilka Scheidgens Auswertungen von Gesprächen greifen, die sie mit der Jubilarin führte (Ilka Scheidgen: "Gabriele Wohmann. Ich muss neugierig bleiben".
Tilman Krause

 

Darmstädter Echo (Auszug) vom 18.05.2012
Eine eigentliche Autobiografie hat Wohmann noch nicht geschrieben. Aber sie hat Ilka Scheidgen bei vielen Treffen sehr ausführlich Auskunft gegeben über Leben und Werk, zudem hat Scheidgen bei weiteren Zeitzeugen recherchiert und hatte auch Zugang zu den Dokumenten, die Wohmann bereits an das Deutsche Literaturarchiv in Marbach übergeben hat. „Ich muss neugierig bleiben“ heißt das Ergebnis ihrer Rercherche  (…). Von der Jugend in Darmstadt bis zum Umzug ins eigene Haus auf der Rosenhöhe gibt der Band zuverlässig Auskunft über Werk und Wirkung. Südhessische Leser werden sich besonders über manche Anekdote freuen, in der sich das Darmstädter Kulturleben der vergangenen Jahrzehnte spiegelt.

Johannes Breckner

 

Dresdner Neueste Nachrichten (Auszug) und Leipziger Volkszeitung vom 21.05.2012
Die erzählerischen Wege (von Gabriele Wohmann) führen von Anfang an über Ironie und Präzision zu einer Magie, die nicht aus der Hölle aufsteigt und auch nicht vom Himmel fällt, sondern in der Dialektik von Nähe und Distanz wirkt. Immer wieder geht es um Beziehungsunfähigkeit, Selbstentfremdung, Abhängigkeiten und Unterdrückungen und die Unfähigkeit zur Kommunikation. „Der Mensch hat als das diffizilste Verständigungsmittel die Sprache bekommen. Wie geht er mit ihr um? Er kann überhaupt nicht mit ihr umgehen“, begründet Wohmann ihre Liebe zum Hörspiel, das die Möglichkeit bietet, die Sprache selbst zum Gegenstand der Reflexion zu machen.

So erzählt es Freundin und Kollegin Ilka Scheidgen in ihrer Biografie, die auf zahlreichen Besuchen und Gesprächen fußt sowie auf Einblicken in den Vorlass, der seit 2005 im Literaturarchiv Marbach liegt. Scheidgen zeichnet mit Fakten und Episoden das Bild einer unangepassten, heiteren Frau, die vom Glaube geprägt ist und Bedrohliches ins Leben zu integrieren versucht. Über ihrem Schreibtisch hängt ein Zitat von James Joyce: „Man lebt und weiß den Tod. Alles andere ist Beschäftigungstherapie.“

Janina Fleischer

 

Schwäbisches Tagblatt (Auszug) vom 21.05.2012

Ilka Scheidgens Biografie zu Gabriele Wohmanns 80. Geburtstag
Seit 1957 folgt Roman auf Roman, Erzählung auf Erzählung, Gedicht auf Gedicht. Die auf die Schilderung bürgerlicher Tragikomödien spezialisierte Schriftstellerin Gabriele Wohmann wird jetzt 80 Jahre alt.
Ilka Scheidgen, selbst Schriftstellerin und Publizistin, hat jetzt zum 80. Geburtstag von Gabriele Wohmann die bisher einzige autorisierte Biographie der 1932 geborenen Darmstädterin vorgelegt, und der Untertitel dieses mit feinem Stift und sehr kontrastreich gezeichneten Porträts belegt auch gleich, was die Vielschreiberin Gabriele Wohmann zum weiteren Tun animiert, sie kann und wird nicht aufhören, sich für ihre Mitmenschen zu interessieren, und diese Erfahrungen will und wird sie dann auch festhalten und festschreiben.
Burkhard Meier-Grolmann

 

Recklinghäuser Zeitung (Auszug) vom 11.04.2012
Ilka Scheidgen, selbst Schriftstellerin und Publizistin, hat eine sehr einfühlsame Biografie vorgelegt: Sie führte intensive Gespräche mit Gabriele Wohmann und begleitet sie mit ihren Erinnerungen an die Kindheit und Jugend, an die Schreibanfänge, an die schwierigen Phasen und an die großen Erfolge. Scheidgen, geboren und aufgewachsen in Berlin, hat sich als Schriftstellerin  und Publizistin in vielfacher Weise mit ihren eigenen Romanen, Erzählungen und Gedichten sowie mit literarsichen Essays und Autorenporträts einen Namen gemacht.

 

Ruhr-Nachrichten vom 01.05.2012
Die Erzählungen von Gabriele Wohmann sind seit 50 Jahren Schullektüre, ihre Romane aber etwas aus der Mode gekommen. Immer noch ist die Darmstädterin jedoch eine der beständigsten deutschen Autorinnen. Zu ihrem 80. Geburtstag am 21. Mai porträtiert Ilka Scheidgen sie in der Biografie "Ich muss neugierig bleiben".
Im Mix aus Interview, Biografie und Literatur-Analyse erzählt sie aus Wohmanns Leben - von der Kindheit im Pfarrhaus und Anfängen in der "Gruppe 47". Eine kritische Autorin mit "bösem Blick" ist Wohmann. Ihre Figuren sind Einzelgänger. Das Tschernobyl-Unglück hat sie in ihren gut 100 Büchern, Theaterstücken und Hörspielen ebenso verarbeitet wie den Mauerfall und den Terror am 11. September.

Julia Gaß


Online-Portal „Theologie und Literatur“ (Auszug) im August 2012
http://www.theologie-und-literatur.de/fileadmin/user_upload/Theologie_und_Literatur/Rezension_Wohmann.pdf
Im Mai 2012 feierte die in Darmstadt lebende Schriftstellerin Gabriele Wohmann ihren 80. Geburtstag. Seit mehr als 40 Jahren gehört die Erzählerin mit ihren Kurzgeschichten und Romanen zu den führenden deutschsprachigen AutorInnen, ohne jemals zentral im grellen Rampenlicht einer breiten Öffentlichkeit gestanden zu haben. (…) Zu diesem runden Geburtstag der Autorin ist eine Biographie geschrieben, verfasst im sehr spezifischen Duktus der Autorin Ilka Scheidgen, selbst Erzählerin. Diese wendet ein Verfahren an, das sie bereits im Blick auf Hilde Domin („Hilde Domin – Dichterin des Dennoch“ 2006) und in den „Fünfuhrgesprächen“ (2008) mit unterschiedlichen Autoren von Walser bis Grass entwickelt hat. Entfaltet werden sehr persönlich gehaltene Annäherungen an Person und Werk, entstanden aus jahrelanger Vertrautheit, enger Bekanntschaft, ja: Freundschaft mit der Schriftstellerin Wohmann. So entsteht eine persönliche, vielleicht darf man sagen: intime Bildfolge, aufbauend auf über mehrere Jahre entstandene Vorarbeiten. (…) Wer ein sehr persönliches, kenntnisreiches, sehr direkt geschriebenes Buch über Gabriele Wohmann sucht, wird hier bestens fündig. (…) Das Buch bleibt ein überaus gelungener Zugang zu Person und Werk der Autorin Wohmann, in dem sich Zeitgeschichte, Literaturgeschichte und Lebensgeschichte wie in einem Brennglas bündeln.

Georg Langenhorst


Deutsche Bücher (Auszug) am 21. Mai 2012https://deutschebuecher.files.wordpress.com/2012/05/db_2012_rezension_scheidgen_gabriele-wohmann_ich-muss-neugierig-bleiben_pivert.pdf

Eine Biographie über Gabriele Wohmann war fraglos vonnöten. Vor fünfundzwanzig Jahren erschienen nämlich die letzten der Darmstädter Autorin gewidmeten Monogra­phien1. In Gabriele Wohmanns Werk zeich­neten sich Tendenzen ab, die sich zwischen­zeitlich bestätigt haben, aber damals nur erahnt werden konnten, wie jene Hoff­nungsfunken, die Gerhard und Mona Knapp immer öfter durchschimmern sahen. Damals kamen metaphysische Fragen erst andeu­tungsweise zum Ausdruck, heute sind sie unüberhörbar geworden. Über eine Biogra­phie, die das Spätwerk umfasst, können sich daher alle Leser nur freuen, zumal es sich um die erste Wohmann-Biographie im eigentlichen Sinne handelt. Verfasst wurde sie von Ilka Scheidgen, selbst Schriftstellerin und Publizistin, deren Biographie Hilde Domin - Dichterin des Dennoch (Kauf­mann-Verlag, 2006), kurz vor dem Tod der Lyrikerin vollendet, besondere Beachtung fand.
Mit ihrem Buch über Gabriele Wohmann hat Ilka Scheidgen es geschafft, aus einem schier uferlosen, unüberschaubaren Oeuvre von etwa hundert Titeln das Wesentliche herauszuarbeiten. Sollte man sich an einen einzigen Satz aus dieser Biographie über Gabriele Wohmann erinnern, dann wäre es dieser: „Sie schreibt über Ungetröstete, ohne dass sie Trost anbietet, über Unglückliche und Suchende, ohne Antworten zu geben und Rezepte zu verteilen" (S. 7). Ilka Scheidgen schildert nicht nur eine Vita, son­dern die Quintessenz von Gabriele Woh­manns Schreiben. Sie beschreibt das, worauf es Gabriele Wohmann wirklich ankommt, die kaum merklichen Verletzungen, die lang­fristige Schäden anrichten, die Gratwande­rung zwischen Normal- und Verrücktsein. Wenn Ilka Scheidgen den Wohmannschen Themenkreis umreißt, lässt sie nichts außer Acht: „Leere und Einsamkeit, Ängste und Sehnsüchte hinter Fassaden angeblicher Harmonie. Ratlosigkeit und Langeweile, Verdruss und Wohlstandsneurosen inmitten scheinbar geordneten Wohllebens" (S. 70). Den Wohmannschen Ton trifft sie ebenfalls, jene sarkastisch-liebevolle Beobachtung der Schrullen von literarischen Figuren, gepaart mit einer Detailverliebtheit ä la Balzac, wel­che davon ausgeht, dass ein Gesicht, ein Kleid, ein Sprachtick oder das Interieur einer Wohnung nicht nebensächlich sind, sondern Wesentliches über einen Menschen aussa­gen. Bliebe sie dabei, dann wäre Ilka Scheidgen nur eine scharfsinnige Kennerin des Werkes. Sie ist aber mehr als das. Seit Jahren verbin­det eine solide Freundschaft sie mit Gabriele Wohmann. Und diese Rolle als Freundin ist überaus wichtig. Sie ermöglicht es ihr, Fra­gen zu stellen, die ein Fremder sich verboten hätte. (…) Erfreulicherweise hat die Biographin nach­geforscht, wenn Gabriele Wohmann vorgab, sich nicht mehr zu erinnern oder vergangene Befindlichkeiten offensichtlich bagatellisier­te. So erfährt der Leser, dass es die existentielle Krise, die im Mittelpunkt von Ernste Absicht steht und heute von der Autorin heruntergespielt wird, tatsächlich gegeben hat. Ilka Scheidgen hat Gabriele Wohmanns Aufzeichnungen im Literaturarchiv Marbach eingesehen und festgestellt, dass der Zustand der zwischen sich selbst und den Erwartun­gen der anderen hin- und hergerissenen Schriftstellerin damals tatsächlich patholo­gisch war. Ilka Scheidgen ist nicht nur nach Marbach gefahren, sondern auch zu Hans Bender nach Köln. Sie wollte jene Menschen höchstpersönlich kennenlernen, die Gabriele Wohmanns Debüt oder ihre Karriere beglei­tet hatten. Hans Bender sprach mit ihr über Gabriele Wohmanns Erstveröffentlichung Ein unwiderstehlicher Mann (1957) in Ak­zente. An solchen zeitaufwendigen Begeg­nungen und soliden Forschungsarbeiten erkennt man eine seriöse Biographie.
 (…) Im Leben der alternden Gabriele Wohmann nimmt der Glaube einen immer größeren Platz ein. Hiervon zeugen mehrere Buchtitel, darunter Erzählen Sie mir was vom Jenseits. Dieser Glaube wird aber immer wieder auf eine harte Probe gestellt. Im letzten Jahrzehnt haben sich in der nahen Umgebung der Schriftstellerin die Todesfälle gehäuft. Das letzte Kapitel der Biographie ist deshalb auch das bewegendste, denn nicht alle Lieben sind friedlich dahingeschieden. (…) Diese wiederholten Verluste setzten der bekennenden Christin arg zu. Während Gabriele Wohmann 1996 an ihrer Gedenk­rede zum Lutherjahr feilte, die in der Sankt-Pauli-Kirche in Eisleben gehalten werden sollte, lag ihre Schwester im Sterben. „Ich war mir bei ihr des Himmelreichs nicht mehr so sicher wie im Winter beim Tod meiner Mutter" (S. 213), gesteht die Schrift­stellerin rückblickend. Daran erkennt man, dass Gabriele Wohmann keine erbauliche, vor Gewissheit strotzende „christliche Auto­rin" ist. Sie ist kein Mensch, der weiß, son­dern ein Mensch, der verzweifelt hofft. (…) Ganz sinnvoll hat Ilka Scheidgen ihre Biographie mit diesem Thema abgeschlossen. 

Benoît Pivert, Paris

 

Georg Magirius. In: Zeitzeichen, Heft 3, März 2012:

Forschermut
Gabriele Wohmann, die im Mai achtzig Jahre alt wird, hat eine Biografie bislang stets verhindert. Und nun? Da liegt sie also vor, die erste Lebensbe­schreibung über eine der wichtigsten deutschen Autorinnen, sogar von ihr autorisiert. Ein völliger Sinneswandel? „Ich habe trotzdem nicht alles verra­ten", hat Wohmann kurz vor Erscheinen gesagt. Es ist der Nicht-Verrat, der das Buch besonders macht. Trotz fehlenden Enthüllungseifers kommt die Publizistin Ilka Scheidgen der Porträtierten nahe. Sie tut erst gar nicht so, als ob sie allein von außen blickte, sie sagt, dass es sich um Freundschaft handle.
Dennoch wirkt Wohmann auch wie­der fern, obwohl sie mitunter kindlich offen spricht. So spielt die Porträtierte mit schönem Ernst, und man ahnt: Bei ihr und ihrer Literatur handelt es sich um keine Festung, die sich erobern lie­ße. Folgerichtig nähert sich Scheidgen der Autorin nicht taktisch oder streng nach Plan. Stattdessen inszeniert sie ein zauberhaftes Viel-Stimmen-Stück.
Da sind Zitate aus Hörspielen, Filmen, Romanen, Erzählungen, Buchbespre­chungen, Briefen, Essays, Preisreden und wissenschaftlichen Arbeiten deutscher, aber auch amerikanischer und französischer Germanisten. Geschickt fügt sie Passagen und Beobachtungen aus vielen persönlichen Gesprächen ein, dazu treten Fotos und Kommentare von Reiner Woh­mann, dem Mann von Gabriele Woh­mann und Werkkundigen par excellence. Scheidgen lässt die Stimmen nebenei­nander klingen, bringt sie manchmal in Reibung. Dann wieder bündelt sie, erklärt zeitgeschichtliche Hintergründe, verein­facht angenehm.
So wird ein fantastisch unentwirrbar ineinandergefügtes Werk und Leben überschaubar in sieben Kapitel unter­teilt. Unaustauschbar schön ist auch Scheidgens Urteilskraft, etwa wenn sie das Gesamtwerk aus weniger bekannten Gedichten deutet. Überzeugend arbeitet sie heraus, dass es gerade Wohmanns Hinwendung zum Privaten ist, die ihre überindividuelle und gesellschaftliche Relevanz begründet. Auch die protestan­tischen Wurzeln und den religiösen An­trieb der Pfarrerstochter hebt die Biografin anders als das Tagesfeuilleton hervor, ohne Wohmann damit gleich zu einer christlichen Autorin zu machen.
Diese erfrischend wildgewachse­ne Biografie ist ein idealer Einstieg für Lesende, die das Werk der Autorin kennenlernen möchten, zugleich eine Ergänzung für die, die sich an ihr nicht sattlesen können. Es ist eines jener sel­ten gewordenen Bücher, die nicht ge­schrieben sind, um eben mal ein Buch zu schreiben. Man spürt: Hingabe, For­schermut und eine einfühlende und nicht nachlassende Geduld haben es entstehen lassen.
Höhepunkt sind die Passagen des Nicht-Verrats, in denen Wohmann sich entzieht, was Scheidgen nicht kaschiert, sondern sogar markiert: Man kann es als Verweis lesen, auf das, was keine Chronik fassen wird. Die Entziehung ist ein Aus­druck von Beziehung.
Biografin und Porträtierte beziehen sich auf Wohmanns Werk, auf die Litera­tur ganz allgemein oder wie immer man diesen Sehnsuchtsraum auch nennen will. Wohmann hat einen sagenhaften Kosmos mit unzähligen Figuren geschaf­fen, in den längst schon die Biografin Ein­gang gefunden hat, allerdings so, wie es nur Wohmann kann: Indem sie verhüllt, um dadurch zu enthüllen: Dass es ohne Liebe auch nicht geht.


Stefan Meetschen. In: Die Tagespost vom 18. Februar 2012 (Auszug):

Manche Autoren werden zeitlos, nicht nur wegen ihrer Bücher, sondern auch, weil sich ihr Bild, aufgenommen in mittleren Jahren, frei von Alterungsprozessen und Veränderungen im Bewusstsein eingeprägt, konserviert zu haben scheint. Bei der Schriftstellerin Gabriele Wohmann ("Pau-linchen war allein zuhause"), die in diesem Jahr 80 Jahre alt wird, ist dies so.(…) Dass diese Stereotypen stimmen und doch nicht die ganze Wahrheit über die 1932 in Darmstadt geborene Pfarrerstoch¬ter ausdrücken, beweist die Publizistin llka Scheidgen mit ihrer aktuellen Biographie über Gabriele Wohmann, "Ich muss neu¬gierig bleiben", die auf Gesprächen mit der Schriftstellerin basiert und von dieser sogar autorisiert wurde. Ein Kunststück, das Scheidgen zuletzt bei ihrer Hilde Domin-Biographie "Dichterin des Dennoch" (2006) gelang. Damals war es ausgerechnet Gabriele Wohmann, welche die "kompe¬tent faktisch und sachbezogene, zugleich aber auch tief in die Geisteswelt" der Dich¬terin Domin eingelebte Herangehensweise Scheidgens, die gelungene Synthese aus Nä¬he und Distanz lobte. Ein Kompliment, dem man sich nun im Fall der aktuellen Biographie über Gabriele Wohmann beru¬higt anschließen kann. llka Scheidgen hat eine einfühlsam-anregende Biographie ge¬schrieben, der man anmerkt, dass ihr die inneren Turbulenzen eines Schriftstellerle¬bens auch selbst vertraut sind. Abstrakt-theoretische Interpretations-Passagen wer¬den dadurch geerdet, angemessen einge¬ordnet in den großen Fluss des schöpferi¬schen Gestaltens. Ergänzt von Auszügen aus den Werken der Schriftstellerin Wohmann und gestützt auf zahlreiche Artikel, Kommentare und Dokumente nimmt Scheidgen, die selbst etliche Aufsätze über die "deutsche Greco der Schreibmaschine" veröffentlicht hat, den Leser mit auf die persönliche und lite¬rarische Lebensspur einer großen moder¬nen Autorin: Kindheit, Jugend, Ausbildung, Familie, Karriere, um an entscheidenden Stellen mit seismographischer Intuition nachzubohren, nachzufragen. (…) Ilke Scheidgen bringt das literarische Le¬benswerk der Wohmann wahrscheinlich am besten auf den Punkt, wenn sie schreibt: "Gabriele Wohmanns Texte sind in der Tat überpersönlich und oft auch scheinbar zeitlos, fernab jeden Trends, je¬der Ideologie." Das ist wahr, obwohl es wahrscheinlich auch keine bessere Chro¬nistin der zurückliegenden bundesrepubli¬kanischen Jahre gibt, als die Pfarrerstochter aus Darmstadt. Es lohnt sich, Gabriele Wohmann zu lesen und es lohnt sich, Ilka Scheidgens zeitlose Biographie über eine zeitlose Frau zu lesen.


Günter Hochgürtel. In: Kölner Stadt-Anzeiger vom 14. Februar 2012 (Auszug):

Eine Meisterin der Erzählung.
Unterhalb des Fensters lag bis vor kurzem noch ein riesiger Stapel von Büchern und Zeitschriften: das äußerst umfangreiche Lebenswerk der Schriftstellerin Gabriele Wohmann. Dr. Ilka Scheidgen, selbst Literatin, hat sich über Jahre hinweg mit der Person der bekannten Autorin auseinandergesetzt. Das Ergebnis ist jetzt in Form einer Biografie im Buchhandel erhältlich. Titel: „Gabriele Wohmann – Ich muss neugierig bleiben.“ Ilka Scheidgen hat nicht zum ersten Mal das Leben einer Schriftstellerin erforscht und beschrieben. Bereits 2006 erregte sie Aufsehen mit einer Biografie der Dichterin Hilde Domin, die mittlerweile in der fünften Auflage verkauft wird. Das Gesamtwerk von Gabriele Wohmann ist indes um einiges größer als das der 2006 verstorbenen Lyrikerin Domin. Allerdings konnte Scheidgen bereits auf einige Veröffentlichungen über Wohmann und deren Bedeutung für die deutsche Literatur zurückgreifen. Im Mai wird die Schriftstellerin 80 Jahre alt – ein perfekter Zeitpunkt, um eine Biografie im Markt zu platzieren. (…) Was die Qualität und Originalität ihrer Erzählungen anbelange, gebe es heutzutage wenig, was an Wohmann heranreiche. In dieser Sparte gilt die Darmstädter Autorin als wahre Meisterin. Der 235 Seiten starke Lebensrückblick beginnt mit Wohmanns Kindheit im Hause ihres Vaters, des evangelischen Pfarrers Paul Daniel Guyot, in Darmstadt. Nach einem kurzen Studium – bei dieser Gelegenheit lernt sie ihren späteren Mann Reiner Wohmann kennen – widmet sich die junge Lehrerin in ihrer Freizeit dem Schreiben, das bald zu ihrem Lebensinhalt werden soll. Nachdem in der Literaturzeitschrift „Akzente“ eine erste Erzählung („Ein unwiderstehlicher Mann“) erschienen ist, findet Gabriele Wohmann immer mehr Beachtung in der Szene und im Luchterhand-Verlag eine literarische Heimat. Sie ist damals gerade mal 24 Jahre alt. Von diesem Zeitpunkt an, so ist in Scheidgens Biografie zu lesen, veröffentlicht Wohmann in regelmäßigen Abständen Erzählungen, Romane, Hörspiele und Gedichtbände. In den 1970er und -80er Jahren gehört sie neben Günter Grass und Peter Härtling zu den Stars der deutschen Literatur. Ihre Bücher werden in 15 Sprachen übersetzt, etliche Werke verfilmt. Zum Beispiel ihr Erfolgsroman „Paulinchen war allein zu Haus“. Ilka Scheidgen hat so ziemliches alles, was von oder über Gabriele Wohmann je geschrieben wurde, gelesen und auf Verwertbarkeit für die Biografie überprüft. Noch wichtiger aber waren offenbar die manchmal stundenlangen Gespräche mit Wohmann in deren Darmstädter Haus. Mittlerweile sind Autorin und Biografin per Du. Faszinierend findet Ilka Scheidgen an Wohmann, dass sie jahrzehntelang als scharfe Beobachterin über Paare und Familien geschrieben hat, die hinter einer wohlsituierten Fassade harte Beziehungskämpfe austragen. Die Schriftstellerin selbst lebt dagegen seit 1953 mit ihrem Mann Reiner in einer überaus harmonischen Ehe. Der Gatte hat sogar seinen Beruf als Gymnasiallehrer aufgegeben, um die Arbeit seiner Frau nach Kräften zu unterstützen. Aus Reiner Wohmanns riesigem Archiv durfte auch Ilka Scheidgen manches Mal schöpfen. „Es wäre schön, wenn die jüngere Generation durch die Biografie aufmerksam würde auf Gabriele. Denn sie ist eine sprachgewaltige und ganz wunderbare Autorin“, so Ilka Scheidgen zum Abschluss des Gesprächs mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Und den renommierten Büchner-Preis, der noch in der Sammlung der Auszeichnungen fehle, werde Wohmann hoffentlich noch bekommen.


Pressestimmen zu "Hilde Domin. Dichterin des Dennoch":

Julia Bähr. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 30. Juni 2006 (Auszug)

„Es ist ein schizophrener Vorgang, zugleich aktiv und passiv. Eine Art Zauberkunst, ein Akt der Befreiung durch die Sprache.“ So beschrieb die kürzlich verstorbene Hilde Domin einmal das Schreiben von Lyrik, das erst spät ein Teil ihres Lebens wurde. Zitate wie dieses, biographische Details und eigene Beobachtungen hat Ilka Scheidgen in ihrem Buch „Hilde Domin. Dichterin des Dennoch“ zusammengetragen. Die Autorin pflegte zwanzig Jahre Kontakt zu Domin und gibt viel von ihren Gesprächen preis, die die spätberufene Lyrikerin als lebhaften und warmherzigen Menschen zeigen, der viel über die Funktionsweisen der Gesellschaft nachgedacht hat. Domins persönliches Credo lautete, „nicht im Stich lassen. Sich nicht und andere.


Urs Buhlmann. In: Die Tagespost
vom 27. Mai 2006 (Auszug):

Auf die Dichterin, die 1009 in Köln geboren wurde und im Februar dieses Jahres in Heidelberg starb, macht nachdrücklich aufmerksam die Biographie, die Ilka Scheidgen, Autorin und selbst Dichterin, jetzt vorgelegt hat und die von der Verstorbenen noch autorisiert wurde. Es ist der erste umfassende Versuch, dieses bemerkenswerte Leben einzufangen und widerzuspiegeln. Das Buch ist der geglückte Versuch, zu ergründen, warum ein Mensch zur Sprach- und Lebensform des Dichtertums findet und welch gleichsam „unterirdisch“ verlaufende Prozesse dafür notwendig sind.


Rezension (Auszug) der Biografie „Hilde Domin – Dichterin des Dennoch“ aus dem Kölner Stadt-Anzeiger
vom 29. März 2006:

Mit „Hilde Domin – Dichterin des Dennoch“ legt die Schriftstellerin und Publizistin jetzt eine Arbeit vor, die so voll ist von Anregungen, Hinweisen und Überraschungen, dass man gar nicht anders kann, als die Lyrik Domins wieder selbst zur Hand zu nehmen. (...) Ilka Scheidgen gelingt es – und hier dürfte ihr eigenes lyrisches Talent eine wichtige Rolle gespielt haben -, Leben und Werk Hilde Domins knapp und doch essenziell auf den Punkt zu bringen. (...) Es ist ein nicht zu unterschätzendes Verdienst von Ilka Scheidgen, dass sie Hilde Domin nicht als Sprachartistin im Elfenbeinturm darstellt, sondern dass sie wieder und wieder auf das eigentliche Potenzial von Lyrik verweist: Widerstand zu leisten gegen alles instrumentalisierte Sprechen und damit gegen die Verfügbarkeit des Menschen.

Ilka Scheidgen: „Der Lyriker mit seinem sensiblen Gespür für Sprache widersetzt sich grundsätzlich der Konformität.“ (...) Auf diesem „Dennoch“, so macht Ilka Scheidgen in ihrer sehr empfehlenswerten und übrigens einzigen autorisierten Biografie deutlich, fußt letztlich die Existenz Hilde Domins.
- Michael Thalken -

 

Rezension (Auszug) im Kölner Stadt-Anzeiger vom 14. Mai 2003 zu: "Meine Freundin Johanna. Ein Leben mit Manie und Depression",
Roman, 270 Seiten, Psychiatrie-Verlag Bonn, 2003

Literarische Spurensuche in der Psyche
In Ilka Scheidgens neuem Roman unternimmt die Autorin den Versuch, den Grund für die psychische Störung ihrer Freundin ausfindig zu machen und die Frage zu klären, warum ein Mensch, den man liebt, verrückt wird. Ilka Scheidgens neues Werk bietet weitaus mehr als einen eventuell erwarteten Erfahrungsbericht. Die Autorin nennt ihre Aufzeichnungen vielmehr ausdrücklich einen Roman, weil sie ihren aufklärerischen Auftrag vor allem als literarischen versteht. Ganz zu Beginn des Romans steht daher nicht von ungefähr ein Satz von Saint-Exupéry: "Die Sprache ist die Quelle aller Mißverständnisse". Dass damit aber nicht die Sprache generell gemeint ist, sondern nur ein Zustand an ihr, der sich als sprachlicher noch nicht reflektiert hat, begreift der Leser erst nach und nach. Denn neben allen Missverständnissen, denen Johannas Krankheit besonders dort ausgesetzt ist, wo sie sich selbst zu ihrem Befinden äußert, wird mehr und mehr auch die sinnstiftende Möglichkeit von Sprache erfahrbar und die darin liegende heilende Kraft. Lyrische Texte, die sich mit existenziellen Fragen nach einem letzten Grund beschäftigen und die eine besondere Verständigungsebene zwischen Johanna und der Ich-Erzählerin bilden, durchziehen den Roman denn auch von Anfang bis Ende. Ihren Kulminationspunkt finden sie gewissermaßen in Ernst Meisters Gedicht "Der Grund kann nicht reden". Auf das Warum, auch das der Erkrankung Johannas, gibt es folglich keine wohlfeile Antwort. "Dieser Roman ist die Antwort selbst", schreibt die Autorin. Man kann ihr nur beipflichten: Ilka Scheidgen ist es gelungen, fernab von populärer Betroffenheitsliteratur die ergreifende Geschichte einer Frau nachzuerzählen, deren Leben zwar nicht der Normalität entspricht, deren Existenz diese Normalität aber ebenso in Frage stellt. - Michael Thalken -

 

Pressetext vom Verlag zur Neuerscheinung
Verrückt genug, an ein Paradies zu glauben

Wie kaum eine Essayisten unserer Tage versteht es Ilka Scheidgen, die zeitgenössische Literatur anschaulich und anregend zu beschreiben. Auch in ihrem neusten Buch zeigt sie sich als eine kompetente Vermittlerin. Der Band stellt große deutsche, zum Teil noch lebende Autoren vor, darunter den umstrittenen Martin Walser genauso wie die so oft unterschätzte Karin Struck. Weitere Portraits gelten Hilde Domin und Peter Härtling, Luise Rinser und Arnold Stadler, aber auch Hans Bender, Günter Kunert, Ernst Meister und Gabriele Wohmann. Die Autorin, die auch als Kolumnisten bei Publik-Forum bekannt wurde, stützt sich in ihren Porträts auf intensive Gespräche mit diesen Schriftstellern und auf detaillierte Werkstudien. Sensibel beschreibt sie den metaphysischen Hunger der zeitgenössischen Literatur, ihre hartnäckige Antwortsuche, die oft zu paradoxen Glaubenseinsichten führt. Ilka Scheidgen weiß mit Sprache umzugehen. Ihre sehr persönlichen Beschreibungen der Schriftsteller und ihre Deutungen sind frei von dem so oft anzutreffenden pseudowissenschaftlichen Jargon. Flüssig geschrieben und gut verständlich eröffnen sie viele Wege in die zeitgenössische Literatur. Damit ist das Buch ein hilfreicher Leseführer und Ratgeber für alle literarisch Interessierten. Hier wir mehr als in vielen Verlautbarungen und Lehrplänen das Bewußtsein für die kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung von Literatur geschärft.

 

Kulturpreis 2002 des Kreises Euskirchen in der Sparte Literatur

Aus der Begründung der Jury:
Wer sich mit den Erzählungen der Autorin befasst, entdeckt, dass hier jemand mit leisen Tönen, sparsamer Sprache, aber ausdrucksstark, den Leser packend, die Schwierigkeit, mit dem Leben, dem Tod und der Liebe umzugehen, reflektiert, wobei es ihr immer darum geht, Schicksal nicht einfach hinzunehmen, sondern positiv zu verwandeln, Hoffnung nicht sterben zu lassen. Ganz besonders ihre Lyrik beschränkt sich auf eine knappe, fast minimalistische Sprache und erzeugt damit eine Intensität, der man sich nicht entziehen kann. Sie trägt ihr Anliegen nicht vor sich her, sondern verlangt, dass man sich auf sie einlässt, ihr nachspürt und sie nachklingen lässt. Immer und immer wieder entdeckt man Neues beim Lesen der Gedichte, und auch sie sind geprägt von Hoffnung und Liebe. Diese Aussagekraft in der knappen Form war es, was Ilka Scheidgen in den Augen der Jury als würdige Preisträgerin erscheinen ließ. - Ursula Dieckmann, Arnold Leifert, Jens Prüss -


Pressestimmen zur Lyrik von Ilka Scheidgen (Auswahl):

Ihre Lyrik, die sich lautlos schwebend und dennoch intensiv präsentiert, macht den Leser im positiven Sinne betroffen, wenn er sich auf ihre autonome Bildwelt einlässt. In jedem der Gedichte schwingt die Freiheit des Traums mit, schimmert die Wahrheit durch die lyrischen Wendungen, ist Wärme zwischen den Zeilen spürbar. - Neues Rheinland, Juni 1991, Heike Armbrust -

Es gibt Gedichte, die aus dem geläufigen lyrischen Sprachdickicht herausführen, ohne auf ein Sprachskelett reduziert zu wirken, oder auch banal oder auch mit pastoraler Feierlichkeit daherzukommen. Gemeint sind jene einfachen Gedichte, die nichts weiter sein wollen als Fenster, die in das Innere eines Menschen blicken lassen. Stille wird spürbar. Der Sparsamkeit der Worte entspricht die reduzierte Natur. - Der Literat , Dezember 1998, Charlotte Christoff -

Es handelt sich um eine Dichterin, die in den oberen Etagen der deutschen Dichtkunst zu Hause ist. - Ihre Poeme beschäftigen sich mit der Hoffnung, dass es Frieden unter den Menschen gibt und dass die verborgenen Schönheiten der Natur nicht eines Tages unwiederbringlich verlorengehen. - Kölner Stadt-Anzeiger, 13./14.Mai 2000, Michael Thalken -

Pressestimmen zur Prosa von Ilka Scheidgen (Auswahl):

Ilka Scheidgen, eine philosophische Natur, zeigt sich bestrebt, eine hintersinnige, mystische Botschaft in scheinbar einfachen Sätzen und Geschichten zu übermitteln. Es geht der Autorin, die auch als Lyrikerin hervorgetreten ist, um etwas höchst Schwieriges: die ästhetische Erzeugung von Stille als Einweisung in eine Haltung, die es ermöglicht, Zeit und Tod nicht nur hinzunehmen, sondern dem Leben positiv anzuverwandeln. - Neues Rheinland, 1994, Franz Norbert Mennemeier -

Selten liest man eine derart dichte, knappe Sprache, die sowohl Inneres und Äusseres, als auch Gegenwärtiges und Vergangenes beinah im selben Atemzug präsent machen kann. Selten auch dramaturgisch so sicher geführte Geschichten, die vom ersten Einstiegsatz an Aufmerksamkeit erzeugen. - Der Literat, Januar 1995, Charlotte Christoff -

Ilka Scheidgen bedient sich in ihrer Erzählung einer nahezu lyrischen Sprache und gibt damit den Gedanken an Leben, Liebe, Tod wohl am besten Ausdruck. Das sind die grossen Themen, mit denen sich die Erzählung befasst. - Ärzte-Zeitung, 20. November 1997, (bke) -

Sachlich ist trotz aller Emotionen der Erzählstil Ilka Scheidgens. Wenn sie in "Aufbruch ins Unbekannte" in Dialogen und Reflexionen ein Frauenleben seziert, dann geschieht dies in knappen Sätzen und vielen Fragen, die sich um die Dualität von Leben und Tod, von Trauer und Glück drehen. Dadurch wird dem Einzelschicksal übergeordnete Bedeutung verliehen. Stets schimmert dabei das Credo der Autorin durch: "Das Leben lieben, aber nicht daran hängen." - Kölnische Rundschau, September 1997, Hanna Styrle -

Ilka Scheidgen erzählt kaum Handlung. Ihre Momentaufnahmen durchdringen die Fassaden, führen in die Tiefe - und wieder zurück. Ihre Sätze sind kurz. Kein Wort ist zu viel. Die Bilder sind klar, wirken intensiv. - Darmstädter Echo, 8. Mai 2000, (heide) -

Pressestimmen zum Roman "Anna und Alena" (vollst. Artikel):

"Ilka Scheidgen, die in der Eifel lebende Ärztin, Lyrikerin und Erzählerin, bleibt mit ihrem neuen Buch "Anna und Alena" ihrer bisherigen Praxis treu, abwechselnd Lyrik und Prosa zu veröffentlichen: Nach dem Gedichtband "Nah der Erde" hat sie jetzt einen Roman vorgelegt, in dem es um die Bewältigung einer Lebenskrise geht. Odila, die gerade die Trennung von ihrem Mann hinter sich hat, muss ohnmächtig zusehen, wie ihre Tochter Anna innerhalb kürzester Zeit an den Folgen eines Gehirntumors verstirbt. Erst als der jungen Kindergärtnerin die lebens- und unternehmungslustige Viertklässlerin Alena über den Weg läuft, beginnt sich ihr Zustand langsam zu stabilisieren. Der Roman "Anna und Alena" ist die Geschichte der sich ganz langsam, dafür aber um so intensiver entwickelnden Beziehung zwischen den beiden geschiedenen Müttern Maria und Odila und der kleinen Alena, die in den beiden Frauen mit ihrem Lebensmut den schon verschüttet geglaubten Optimismus und die brachliegende Freude am Dasein wieder erweckt. Mit zarten, lyrisch gefärbten Strichen entwirft die Ärztin Ilka Scheidgen, die von Peter Rühmkorf einmal als "Meisterin der lyrischen Miniatur" bezeichnet worden ist, die Geschichte eines Sommers an der französischen Mittelmeerküste, der für Odila zur lang ersehnten, wenn auch nie für möglich gehaltenen Therapie wird: Erst jetzt, in der Gesellschaft der kleinen Alena, die sie ganz intensiv an ihre eigene Tochter Anna, die gestorben ist, erinnert, gelingt es ihr, vom Leiden und vom Sterben ihres Kindes zu erzählen und dadurch zu einer neuen Lebensperspektive zu finden. Ilka Scheidgens Buch kann man nicht nur Medizinern und Nichlmedizinern wärmstens empfehlen, sondern auch allen Heranwachsendcn in die Hand drücken, die sich mit den Problemen von Krankheit und Tod auseinandersetzen wollen." (FHV) - Ärzte Zeitung, 9. Oktober 2001 -

"GROSSER TIEFGANG, UND DOCH LEICHT ZU LESEN
Ein Kind zu verlieren - wohl das Schrecklichste, was einer Mutter passieren kann. So ergeht es Odila,deren neunjährige Tochter Anna in Folge einer schweren Krankheit verstirbt. Odila versinkt in einem Leben voller Trauer und Schmerz, aus dem sie auch ihre Arbeit als Kindergärtnerin nicht herausholen kann. Eines Tages trifft Odila zufällig die zehnjährige Alena, die ihrer Tochter in vielen Dingen gleicht. Alena ist ein Scheidungskind und da ihre Mutter arbeiten geht, auf sich gestellt und selbständig. Ganz langsam schafft es Alena durch ihre Natürlichkeit, ihre Aufgeschlossenheit für Natur und Umwelt und ihr Gespür für die Gefühle anderer, Odila aus ihrer Trauer herauszuholen und ihr den Blick zu öffnen für ein Leben mit der Trauer, aber nicht in Trauer. Odila kann endlich über ihre Gefühle sprechen. Ein gemeinsamer Urlaub von Alena, ihrer Mutter und Odila in Südfrankreich bringt für alle drei einen Gewinn an Einsichten und eine tiefe Freundschaft. Die Autorin Ilka Scheidgen hat es in ihrem Roman "Anna und Alena" verstanden, eine anfangs traurige Geschichte und tiefe Gefühle so darzustellen, dass sich das Buch leicht lesen lässt. Die verschiedenen Blickwinkel, aus denen die Geschichte erzählt wird - mal aus der Sicht von Alena, dann wieder aus Sicht Odilas - zwingen den Leser immer wieder, sich in die eine oder andere Person zu versetzen und sich mit deren Gefühlen und Ansichten auseinanderzusetzen. Das Buch spricht mit seiner Geschichte und seiner Leichtigkeit den Leser an. Einmal angefangen, möchte man es in einemRutsch zu Ende lesen." (schu) - Kölnische Rundschau, 31. Juli 2001 -

Pressestimmen allgemein:

"Es ist ernsthaft und ich mag es. Ausgezeichnet die Kürze, mit der Sie auskommen. Einig bin ich mit Ihnen in der Dennoch-Hoffnung", schrieb Dichter-Kollegin Hilde Domin an Ilka Scheidgen, und Peter Rühmkorf lobte "lauter kleine gestochene Wahrnehmungen". In ihren Büchern verarbeitet Ilka Scheidgen das Thema Verlust auf ihre eigene, immer lebensbejahende und sehr menschliche Weise. Artifizielle Schnörkelei ist der Lyrikerin fremd, und ihre Überzeugung, dass dem Menschen die persönliche Anstrengung nicht erspart bleibt, im Leben einen Sinn zu finden - und dass dieser Sinn sich nur im Zusammenleben mit anderen offenbart, trifft den Nerv der Zeit. - Darmstädter Kulturnachrichten